Von Sucht, Sehnsucht und Gefühlsblindheit

Die Welt ist für unerwünschte, ungeliebte oder vernachlässigte Kinder und Jugendliche in unserer ›zivilisierten‹ Gesellschaft meist eine Schreckliche. Sie werden häufig ohne Liebe und ohne jeden Respekt behandelt, körperlich und seelisch vernachlässigt, allein gelassen, gedemütigt, verspottet, geschlagen, misshandelt, emotional und sexuell missbraucht. Kein Tier behandelt seine Nachkommen so wie der heutige Mensch und keine Säugetiermutter, die in Freiheit lebt, lässt ihre Säuglinge grundlos lange allein. Keine Tiermutter trennt sich freiwillig oder kampflos von ihrem abhängigen Neugeborenen. Säugende Tiermütter dulden auch keine eifersüchtigen Männchen um sich, die sie von ihren Kindern trennen wollen. Frauen tun das; aus Angst vor Liebesentzug, vor Verlassenwerden, aus Angst vor Einsamkeit, aus Angst vor Kritik, manchmal aus Angst von ihrem Partner sexuell genötigt zu werden. »Männlicher Prioritätsanspruch und symbiotische Mutter-Kind-Beziehungen passen nun einmal nicht zusammen«, schreibt Christa Mulack in ihrem Buch ›Der Mutterschaftsbetrug‹ (2006,172).

Die gestörte Eltern-Kind Beziehung hat nachhaltige Folgen, z.B. Sucht. Der sogenannte Suchtcharakter entsteht im ersten Lebensjahr als Folge der körperlichen oder psychischen Vernachlässigung des Neugeborenen durch seine Mutter, ohne dass das Kind eine ›Ersatzmutter‹ erhält, welche eine andere Frau, aber auch der Vater sein kann. Das gleichzeitige Empfinden von Alleinsein, Getrenntsein, Absonderung, Einsamkeit, unendlicher Traurigkeit, Angst, Panik, Verzweiflung, Entsetzen, Hoffnungslosigkeit, Langeweile, Leere und Sehnsucht nach Liebe, nach beruhigender körperlicher Nähe und Geborgenheit führt zu Spannungen, unsäglicher Wut, einer latenten Gewaltbereitschaft und Zerstörungswut, Depression und dem Verlust des Urvertrauens bis zu psychosomatischen Krankheiten. Aber auch zu emotional bedingter Gier und unzähligen Süchten.  Alle Süchte haben ihren Ursprung in einer frühen Deprivation und ungestillten Sehnsucht des Kleinkindes. Leider werden diese Probleme nicht im Zusammenhang mit ihren Ursachen gesehen und die Ursachen entsprechend nicht angegangen. (s. ›Der Verlust der geistigen, emotionalen und körperlichen Unversehrtheit im Patriarchat‹  http://www.doriswolf.com/wp/?page_id=4412

Es ist kein Zufall, dass in der sogenannt zivilisierten Welt Frauen an ›Postnatalen Depressionen‹ und ›Postpartalen Bindungsstörungen‹ erkranken. Etwa 10% der Bevölkerung leiden an einer so genannten Gefühlsblindheit, ›Alexithymie‹, einer Persönlichkeitsstörung, die die Menschen unfähig macht zu fühlen; Empathie für sich selbst, andere, auch nicht für ihre Kinder zu empfinden. Wenn Menschen, Frauen und Männer, mit frühkindlichen Deprivationen Eltern werden, sind sie selbst wieder unfähig Verantwortung für das Wohl des Kindes zu übernehmen; ihrem Kind die Liebe, Geborgenheit und den Schutz den es benötigt (z.B. den Schutz vor dem dramatischen Eingriff in die körperliche Integrität durch Beschneidung der Sexualorgane) zu geben.

»Es gibt Hinweise darauf, dass alexithyme Menschen Defizite in der Phase des frühen emotionalen Lernens hinnehmen mußten«, stellte Matthias Franz fest, der diese Störung erforschte (s. ›Alexithymie‹ im www). Er zeigt auf, dass es »um die Zuwendung zwischen Mutter und Kind, und zwischen Vater und Kind, die Spiegelung an emotionaler Rückmeldung während der kindlichen Entwicklungsjahre geht – um eine Mangelerfahrung durch zentralwichtige Bezugspersonen. Wir haben einige Studien, die nahe legen, dass die Bindungsqualität, vielleicht auch belastende Bindungserfahrung in der frühen Kindheit, hier bei alexithymen Patienten Belastungen und Defizite überdurchschnittlich häufig bestehen. Es gibt zahlreiche dokumentierte Hinweise darauf, dass emotionales Lernen sich in der ganz tief fühlenden Mutter- beziehungsweise Vater-Kind-Beziehung vermittelt, und durchaus für den Verlauf des weiteren Lebens eine prägende Bedeutung hat« (www. ibd).

Der Analytiker Arno Gruen schreibt in seinem Buch ›Der Verlust des Mitgefühls – Über die Politik der Gleichgültigkeit‹: »Wir haben so viele Mittel und Wege, das Kind in seinem Sein zu zerstören. Gleichzeitig leugnen wir das, indem wir uns an die Pose des Guten und Zivilisierten klammern« (1997,28).

Wie gesagt, eine der üblichsten Folgen der Störungen in der Mutter/Vater-Kind Beziehung äußert sich in der Sucht. Sie dient dem Versuch, die Leere zu füllen, die Sehnsucht zu ›stillen‹, Sicherheit zu geben und den Schmerz zu betäuben.

A – Alkoholsucht, Arbeitssucht, B – Beschuldigungssucht, C – Cannabissucht, D – Drogensucht, E – Ess-Brechsucht, Eifersucht,  F – Fetischsucht, G – Geldsucht, Geltungssucht, Gottessucht (Gotteswahn), H – Habsucht (Habgier auch Geiz), Horrorsucht (Sensations-Sucht), I – Internetsucht, Onlinesucht, J – Jesuswahn, K – Kaufsucht, Klausucht (Kleptomanie), Konsumsucht, Kontrollsucht L – Leidenssucht, (Masochismus), Liebessucht (Sucht nach Verliebtheit und Geliebtwerden, auch Narzißmus) M – Machtsucht, Magersucht, Masturbationssucht, Medikamentensucht, Muskelmasse-Sucht, N – Narzißmus (Gefallsucht), Nekrophilie,   O – Ordnungssucht,  P –Pädosexuelle Sucht, (kriminelle Sucht nach Sex mit Kindern und Inzest), Pornosucht, Putzsucht, Q – Quälsucht (Sadismus), R – Rachsucht, Rechthaberei, Religionssucht, Ruhmsucht, S – Sammelsucht, Sexsucht, Sexueller Sadismus, Spielsucht, Sportsucht, Streitsucht, T – Tötungssucht (Kriegssucht), U – Überwachungssucht, V – Verdrängungssucht, Verleugnungssucht, Vernichtungssucht (gegenüber dem anderen Geschlecht, gegen Minderheiten, Menschen anderer Hautfarbe, Religionen, Homosexuellen etc.), Z – Zigarettensucht (Tabaksucht) usw. Auffallend ist besonders bei Männern und männlichen Jugendlichen, die Sucht nach dem Adrenalin-Kick,  die Sucht nach dem extremen Erleben von Gefahren, von Gewalt und Krieg als Droge und die daraus entstehende Sucht, ohne jedes Mitgefühl, andere seelisch oder körperlich zu verletzen, zu quälen oder zu töten.